Verkehrsgeschichtliches aus Königsberg / Kaliningrad
 
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Vorortverkehr nach Cranz/Зеленоградск und Rauschen/Светлогорск

Um die Königsberger Ausflügler besser an die samländische Küste zu bringen, die etwa 30 Kilometer nördlich der Stadt liegt, wurde im ausgehenden 19. Jahrhundert schnell der Ruf nach einer Eisenbahnverbindung laut.

Zwei Bahngesellschaften und zwei Badeorte buhlen seit je her um die Gunst der Gäste aus der Großstadt: Rauschen (Светлогорск) und Cranz (Зеленоградск). Im Prinzip könnte man auch noch die Stadt Neukuhren (Пионерский) als dritten Ort aufzählen, er erlangte aber nie große Bedeutung als Seebad, sondern ist bis heute nur Fischereihafen.




Die Königsberg-Cranzer Eisenbahn (KCE) errichtete im Jahre 1885 eine Bahnstrecke vom Seebad Cranz bis zu ihrem eigenen Cranzer Bahnhof im Norden der Königsberger Innenstadt. Die Samlandbahn AG, wie die KCE ebenfalls eine Tochtergesellschaft der privaten Ostdeutschen Eisenbahn, eröffnete erst am 14. Juli 1900 ihre Strecke nach Marienhof/Переславское, die seit dem 21. Januar 1901 bis nach Rauschen Ort/Светлогорск 1 und Warnicken bei Groß Kuhren/Приморье führt. Über Warnicken und Groß Kuhren bestand bis 2006 sogar Personenverkehr nach Fischhausen/Приморск, heute nur noch Güterbetrieb.
Eine andere Stichstrecke, die schon früher in Marienhof/Переславское abzweigte, führte ebenfalls nach Fischhausen/Приморск und wurde ab 1. Oktober 1900 betrieben, sie dient heute ebenfalls nur noch dem Güterverkehr.

Am 2. Juni 1906 wurde eine weitere Stichbahn - diesmal vor allen für touristische Zwecke - von Rauschen Ort zum Kopfbahnhof Rauschen Düne/Светлогорск 2 in Betrieb genommen. Weitere Pläne, die erst im Februar 1945 verwirklicht wurden, sahen einen durchgehenden Zugverkehr an der Samlandküste von Rauschen-Ort über Fischhausen bis Pillau/Балтийск vor.




Foto: Hans Heydrich
Königsberger Südbahnhof/Южный вокзал und Brücke über den Pregel


Gemeinsam mit der Deutschen Reichsbahn, deren Strecke von Tilsit und Labiau kommend auch im Norden Königsbergs endete, eröffnete man am 19. September 1929 einen gemeinsamen Bahnhof: Den Nordbahnhof. Er wurde nach dem Krieg umgewidmet und ist heute ein Magistratsgebäude. Nördlich des alten Bahnhofs gibt es einen seit 1964 einen neuen Nordbahnhof/Северный вокзал. Die Gleisanlagen wurden ebenfalls in jenen Jahren wieder aufgebaut. Bis heute halten alle Vorortzüge in Richtung Cranz (vom unteren Bahnsteig), Rauschen und Neukuhren auch dort, obwohl sie am Südbahnhof enden. Die Strecke nach Cranz ist seit 1976 elektrifiziert.



Vorortzug im Königsberger Südbahnhof/Южный вокзал


Um auch Schiffspassagiere zu befördern, entschied die KCE, ab dem 8. Juli 1895 eine Stichbahn zum Hafen Cranzbeek am Kurischen Haff zu errichten. Von hier aus bestand eine Dampferlinie nach Memel (heute Klaipeda) und Nidden. Diese Stichbahn wurde - wie der Hafen - mittlerweile abgebaut.

Seit dem 20. Dezember 1900 konnten die Passagiere der KCE über Cranz hinaus auch bis zum (heute stillgelegten) Bahnhof Pobethen-Rantau/Заостровье fahren, ab dem 25. Mai 1901 dann auch bis Neukuhren/Пионерский, hier bestand Anschluss an die Züge der Samlandbahn nach Rauschen. Diese insgesamt fast 50 Kilometer lange Strecke von Königsberg über Cranz nach Neukuhren ist heute noch existent, die Gleise wurden aber nach 1945 demontiert und erst 1965 in russische Breitspur wiedererrichtet.


Bahnhof Cranz, 2014 (Зеленоградск)

Bahnhof Cranz, 2018. Foto: Hans Heydrich


Zwischen Königsberg und Cranz fuhren die Züge damals Stundentakt, heute nur noch sechs bis sieben Mal am Tag, zwischen Königsberg und Rauschen-Düne verkehren die Elektrischkas etwas öfter, zwischen Rauschen und Cranz gibt es nur noch zwei Zugpaare pro Tag. Die Züge haben ernstzunehmende Konkurrenz von mehreren Buslinien, die im Halbstundentakt zwischen Königsberg und den Badeorten verkehren. Im Jahre 2010 erwog der Königsberger Magistrat eine weitere Ausdünnung der Taktzeiten nach Cranz oder sogar eine Stilllegung der einstigen KCE kam ins Gespräch. Dabei gibt es eine durchgehende Güterbahnstrecke, abzweigend von der KCE zum neuen Flughafen Königsberg-Chrabowo. Ob hier je - z.B. zur Fußball-WM 2018 - auch Personenzüge zwischen Innenstadt und Flughafen fahren, ist ebenfalls ungewiss.


Bahnhof Rauschen-Düne, 2014/Светлогорск 2


ebenso, 2018. Foto: Hans Heydrich