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Verkehrsgeschichte beiderseits von Oder und Neiße
   
Do widzenia, EuroCity Wawel!

Schon letztes Jahr hatten wir es befürchtet, aber ab nächsten Sonntag ist es nun Realität: Der EuroCity Wawel von Hamburg über Berlin nach Breslau wird eingestellt. Mit seiner Außerdienststellung gibt es nur noch zwei Fernzugverbindungen zwischen Deutschland und Polen (Berlin – Posen – Warschau bzw. Gdingen). Das klingt eher nach kaltem Krieg als nach einem zusammenwachsenden Europa des 21. Jahrhunderts! Doch wie konnte es nur dazu kommen?



1. Ist es die Fahrzeit? Definitiv – zwei Lokwechsel, in Cottbus von deutschem Fahrstrom auf Diesel und früher in
Liegnitz (und zuletzt in Kohlfurt) auf polnischen Fahrstrom kostet viel Ziel. Hinzu kommt der marode Zustand der Strecke zwischen Cottbus und Kohlfurt. Etwa zwei Stunden braucht der Zug hier für gerade einmal 100 Kilometer. Und auch woanders, ist 160 km/h die absolute Höchstgeschwindigkeit. Insgesamt fünf Stunden ist der Wawel im Dezember 2014 zwischen Berlin und Breslau unterwegs.
Seit einem Jahr verkehrt parallel zwischen Berlin und Breslau ein Bus der Deutschen Bahn. Dieser braucht fast eine Stunde weniger als der Wawel, auch wenn die Autobahn (zumindest von Forst in Richtung Liegnitz) auch seit den 1940er Jahren keine größere Modernisierung mehr erfahren hat. Mit dem Auto braucht man übrigens – ohne Stau – etwa dreieinhalb Stunden.

2. Ist es der Preis? Bedingt – mit der BahnCard 25 gab es zuletzt im besten Falle Tickets für etwa 22 Euro pro Richtung. Der polnische Busanbieter PolskiBus bietet für die 4 Stunden 25 Minuten lange Fahrt in der Regel Tickets zwischen drei und maximal 20 Euro pro Richtung an.  Wer kurzfristig einen Bus der Deutschen Bahn buchen will, zahlt ohne BahnCard 39 Euro – bei der preiswerten Konkurrenz scheinen auch die Tage des DB-Busverkehrs gezählt zu sein.

EC Wawel in Cottbus Hbf.

3. Ist es der politische Wille? Breslau ist zweifelsohne eine der polnischen „Boom“-Städte, gerade als Universitäts- und Technologiezentrum. Schlesien ist eine der Regionen Polens, die eine der stärksten Austauschbeziehungen mit Deutschland unterhalten. Beste Bedingungen eigentlich also für einen gut ausgelasteten Fernzug und das obwohl Bahnfahren in Polen noch unpopulärer sein mag als in Deutschland. Aber um gerade die Autofahrer auf die Schiene zu locken, sollte es doch – auch wenn es sich um eine eigenwirtschaftlich zu betreibende Fernverkehrsverbindung handelt – von der Politik gefördert werden, dass eine „ökologisch wertvolle“ Schienenverbindung zwischen beiden Städte am Leben erhalten wird.

EC Wawel in Berlin Südkreuz

Am 15. Mai 1936 wurde erstmals ein moderner, schneller Dieseltriebzug der Baureihe DR 137 von Berlin über Breslau bis nach Beuthen im oberschlesischen Industriegebiet geschickt. Für die gesamte Strecke benötigten die Züge damals 4 Stunden und 17 Minuten, zwischen Berlin und Breslau etwa zweieinhalb Stunden. Mit Beginn des
Zweiten Weltkriegs war 1939 mit dem Schnellverkehr aber wieder Schluss. Solch traumhafte Fahrzeiten wurden zwischen Berlin und Breslau nie wieder erreicht.

Die etwa 400 Kilometer lange Bahnstrecke Berlin – Breslau feierte noch 2006 mit einem Aufgebot an politischen Gästen aus Berlin und der niederschlesischen Hauptstadt ihr 160jähriges Bestehen. Der Wawel war aber schon längst zum Symbol der Rückständigkeit deutsch-polnischer Bahnverbindungen geworden ist. 2010 wurde in
einem Regionalforum in der IHK Berlin über die Zukunft des Wawels diskutiert. Von polnischer Seite wurde damals die Streckenführung über die Ausbaustrecke Liegnitz - Kohlfurt - Horka favorisiert. Nur dann hätte die Bahnverbindung Cottbus - Horka - Görlitz elektrifiziert und ein leistungsfähiger Kreuzungspunkt in Horka gebaut werden müssen. Auch die Alternativroute, die die Züge vor dem Krieg zwischen Berlin und Breslau über Grünberg und Frankfurt/Oder befuhren, wurde vorgeschlagen: Zumindest hätte man hierbei den Lokwechsel sparen können. Doch die DB blickte der Einstellung der defizitären Verbindung recht gleichgültig ins Auge, hatte man als Besucher des Forums damals schon den Eindruck (BahnInfo berichtete).

Neißebrücke bei Forst

Zuletzt wurde die Streckenführung dann noch etwas angepasst: Nach der Modernisierung der Bahnstrecke von Breslau über Kohlfurt nach Horka und der Ertüchtigung auf 120-160 Stundenkilometern nahm der EuroCity Wawel nicht mehr den direkte Weg, sondern verkehrte über einen großen Bogen von Liegnitz über Bunzlau, Kohlfurt nach Sorau. Der erwartete Ausbau der Strecke zwischen Horka und Cottbus blieb aber bis heute aus.

Am heutigen Nikolaustag 2014 unternahm eine BahnInfo-„Delegation“ eine kurze Reise mit dem Wawel von Berlin nach Forst und zurück mit dem EC nach Berlin. Während im Hinzug noch einige Fahrgäste die fünf Wagen bis Cottbus (und drei bis Forst und Breslau) füllten und die DB sogar noch eine Fahrgastbefragung durchführen ließ, war der Rückzug gähnend leer. Anscheinend sind die meisten Fahrgäste schon auf den Bus (oder das Auto) umgestiegen.

Zerstörte Straßenbrücke in Forst

Die Neißebrücken in Forst bieten dem Besucher übrigens ein symptomatisches Bild für die Verkehrsverbindungen zwischen dem südlichen Brandenburg und Niederschlesien: Alle Straßen- und Fußgängerbrücken wurden 1945 zerstört – niemand denkt an einen Wiederaufbau – und liegen kaputt im Neißetal.
Die Bahnbrücke, die bis Samstag noch vom Wawel befahren wird, ist nur noch zur Hälfte in Betrieb (auch wenn sie sehr marode aussieht und nur noch mit 40 Stundenkilometern befahren werden darf). Die anderen Hälfte der Brücke könnte – da das Gleis nicht benutzt wird – wunderbar für einen Fuß- und Radweg hergerichtet werden.Aber niemand scheint sich seit der Wende (oder spätestens seit dem Schengen-Beitritt Polens) dafür verantwortlich zu fühlen und die Bevölkerung engagiert sich anscheinend auch nicht für einen Wiederaufbau der Verbindungen in die Region östlich der Neiße.


Zerstörte Fußgängerbrücke in Forst

Für den internationalen Verkehr zwischen Polen und Berlin ist die Einstellung des EuroCitys Wawel am kommenden Wochenende ein trauriger Tag. Die Pendler zwischen Hamburg, Lüneburg, Uelzen nach Stendal und Berlin bekommen wenigstens als Ersatz für den wegfallenden EuroCity eine zusätzliche InterRegioExpress-Verbindung. Für Reisende in Richtung Osten endet eine Ära. Die Fernbahnstrecke Berlin – Breslau ist ab nächstes Wochenende Geschichte.